Spätestens seit dem Millionen-Bestseller „Darm mit Charme“[1] von Giulia Enders ist das Thema „Darm“ in aller Munde und immer mehr Menschen ist bewusst geworden, wie wichtig die Gesundheit des Darms für Ihr Wohlbefinden ist. Welche vielfältigen Aufgaben und Funktionen unser Darm hat und was die Gesundheit unseres Darms mit unserem Wohlbefinden zu tun hat, können Sie im folgenden Artikel erfahren.
Ein gesunder Darm und seine Funktionen
Ein gesunder Darm setzt sich aus drei Funktionsbereichen zusammen, die in die Darmflora, die Darmschleimhaut und das darmeigene Immunsystem unterteilt werden können. Der Darm ist dabei sowohl an unserem Stoffwechsel, unserem Wasserhaushalt sowie dem Immunsystem beteiligt.
Essentiell für einen gesunden Darm ist die Zusammensetzung der sich darin befindenden Darmflora, die auch als „Mikrobiom“ bezeichnet wird, welche sich aus schätzungsweise 1000 verschiedenen Darmbakterien und Mikroorganismen zusammensetzt.
Der Darm als Teil des Immunsystems
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Etwa drei Viertel aller Zellen, die Antikörper produzieren können, sitzen in unserer Darmschleimhaut. Der Darm steuert damit einen nicht zu vernachlässigenden Teil zu der Abwehrfähigkeit unseres Immunsystems bei. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Darm selber „gesund“ ist.
Zwei Grundvoraussetzungen, die dabei gegeben sein müssen, umfassen einerseits das passende Zusammenspiel der im Darm vorhanden Bakterien, dem sogenannte „Mikrobiom“, und einer ausreichenden „Darmbewegung“, die auch unter dem Fachbegriff der „Darmmotilität“ bekannt ist.
Sobald die Darmflora in ein Ungleichgewicht kommt, macht sich dies nicht nur in Form von Blähungen, Durchfall oder Verstopfung bemerkbar, sondern kann auch unser „Immunsystem“ ins Wanken bringen. Eine unausgeglichene Darmflora schlägt sich dadurch auch auf unser körperliches Wohlbefinden nieder und kann uns anfälliger für Infekte machen.
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Der Darm als eigener Vitaminproduzent
Der Darm filtert im Rahmen des aufwendigen Verdauungsprozesses nicht nur Vitamine aus der aufgenommenen Nahrung heraus. Durch seine im Mikrobiom lebenden Bakterienstämme, ist der Darm zudem in der Lage viele verschiedene Vitamine selbst zu produzieren und somit vermutlich zur körpereigenen Nährstoffversorgung beizutragen. Als Beispiele können hier Vitamine wie Biotin, Folsäure oder die Vitamine B12 und Vitamin K2 genannt werden.
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Der Darm als Entgifter
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Der Darm ist nicht nur für die Produktion von gesunden Vitaminen, sondern auch für die Entsorgung schädlicher Stoffe zuständig. Als eines von insgesamt vier Entgiftungsorganen sorgt der Darm, neben der Niere, der Leber und dem Lymphsystem dafür schädliche Stoffe wie Bakterien und Keime von wertvollen Stoffen wie Vitaminen und Nährstoffen zu unterscheiden. Einige Bakterien und Schadstoffe kann der Darm dabei selber bekämpfen, für andere Giftstoffe muss der Darm das Gehirn alarmieren.
Der Darm als Zentrum der Gefühle
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Die Erforschung der sogenannten „Darm-Hirn-Achse“ deutet immer mehr auf das hin, was viele Wissenschaftler schon lange vermuten. Der Darm beeinflusst wohl nicht nur maßgeblich unsere körperliche Gesundheit, sondern wirkt in großem Maße auch auf unsere mentale Gesundheit ein.
Unser Darm fungiert dabei wie eine Art eigenes „Gehirn“, das nicht nur Signale vom Gehirn empfängt, sondern auch eigenständig Prozesse in Gang bringen kann und Anweisungen an das Gehirn zurücksendet. Nicht umsonst wird der Darm daher auch als „Bauchgehirn“ bezeichnet.
Konkrete wissenschaftliche Hinweise für die Verbindung zwischen Bauch und Gehirn haben Wissenschaftler der Katholischen Universität Leuven in Belgien gefunden zu haben. Entsprechend untersuchten Sie im Jahr 2019 in einer großen Studie den Stuhl von rund 2000 Teilnehmern. Ziel der Studie war dabei herauszufinden, welche Zusammenhänge zwischen der jeweiligen Darmflora und der Psyche der Probanden bestehen. Dabei entdeckten Sie, dass bei Menschen mit Depressionen zwei Bakterienstämme in der Darmflora fehlten[2]. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass ängstliches und depressives Verhalten auch in Zusammenhang mit der Zusammensetzung der individuellen Darmflora stehen können.
Der Darm und die Hormone
Der Darm reagiert nicht nur auf schädliche Einflüsse von Außen, er fungiert auch selbst als Hormonproduzent und beeinflusst unsere Gefühle damit auch von „Innen“ heraus – eine Aufgabe, die natürlich wiederum in Abhängigkeit zur Zusammensetzung unserer Darmflora steht. Entsprechend ist im Darm neben Glückshormonen wie Dopamin und Serotonin, auch eine hohe Konzentration das Schlafhormons Melatonin zu finden.
Aktuellere Forschungsergebnisse weisen zudem auf einen möglichen Zusammenhang zwischen unserem Darm und der Regulierung des Östrogenspiegels im Körper hin. So bringen Forscher in diesem Zusammenhang immer mehr hormonbedingte Erkrankungen wie beispielsweise Endometriose, Brust- und Prostatakrebs und das Polyzystische Ovarialsyndrom (auch unter der Abkürzung „PCOS“ bekannt) ins Spiel.
Solange die Darmflora in unserem Darm im Gleichgewicht ist, produziert unser Körper, vor allem in den Eierstöcken, die richtige Menge des Enzyms ß-Glucoronidase, das für die Regulierung des Östrogenspiegels zuständig ist. Sobald unsere Darmflora gestört ist, scheint das die Aktivität dieses Enzyms jedoch zu beeinträchtigen und damit zu einer Unter- beziehungsweise Überversorgung von Östrogen zu führen. Eine unausgewogene Darmflora kann dadurch bei hormonell bedingte Erkrankungen ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor sein!
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[1]Giulia Enders (2014): „Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ“. Ullstein Verlag.
[2]Die Studie wurde im Februar 2019 im Fachjournal „Nature Microbiology“ veröffentlicht. Online ist sie gegen Gebühr zugänglich unter: https://www.nature.com/articles/s41564-018-0337-x